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"Gegen jeden Antisemitismus!"

Axel Barton

Resolutionstext und Rede Axel Barton

Der Rat der Stadt hat in seiner Sitzung am Donnerstag, 20. Mai, mit einer von SPD, CDU, Grünen und FDP eingebrachten Resolution "Gegen jeden Antisemitismus!" die antisemitischen Vorfälle vom 12. Mai 2021 aufs Schärfste verurteilt und seine Solidarität mit der jüdischen Gemeinde bekräftigt. Nachfolgend der Resolutionstext und die Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Axel Barton zum nachlesen.

Resolution

Gegen jeden Antisemitismus: Erklärung des Rates der Stadt Gelsenkirchen zu den antisemitischen Vorfällen am 12. Mai 2021 und für jüdisches Leben in Gelsenkirchen

Die demokratischen Fraktionen des Rates der Stadt Gelsenkirchen verurteilen die antisemitischen Vorfälle vom 12. Mai 2021 aufs Schärfste. Weder Hass, Hetze, Gewalt noch Antisemitismus werden in Gelsenkirchen toleriert. Der Rat der Stadt steht solidarisch an der Seite der jüdischen Gemeinde in unserer Stadt.

Antijüdische und antisemitische Parolen, die auf einem nicht angemeldeten Demonstrationszug von etwa 180 Menschen vom Bahnhofsvorplatz in Richtung der Neuen Synagoge geäußert wurden, haben in Gelsenkirchen keinen Platz. Auch wenn der wiederaufflammende Nahost-Konflikt viele Menschen hierzulande emotional aufwühlt, „rechtfertigt nichts die Bedrohung von Jüdinnen und Juden in Deutschland oder Angriffe auf Synagogen in deutschen Städten“, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekräftigt. Die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sind zwar grundgesetzlich garantierte Rechte und ein hohes Gut unserer demokratischen Gesellschaft, sie enden aber unweigerlich dort, wo es zu Volksverhetzung oder Straftaten kommt. Mehr noch, wer andere Menschen ihrer Herkunft, Religion, ihres Geschlechts oder ihrer Kultur wegen verachtet, sie bedroht und den gesellschaftlichen Frieden gefährdet, der tritt auch unsere wichtigsten Werte mit Füßen. 

Der Rat der Stadt bekräftigt die Botschaft der Demokratischen Initiative: „In Gelsenkirchen ist Platz für alle Religionen, alle Ethnien, alle Menschen - nicht aber für die, die andere herabwürdigen, bedrohen oder gar angreifen!“

Ein wertvolles Zeichen der Solidarität und Wertschätzung, dass jüdisches Leben und jüdische Kultur fest zu Gelsenkirchen gehören, haben über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mahnwache vom 14. Mai gesetzt, zu der die Initiative gegen Antisemitismus Gelsenkirchen und die Demokratischen Initiative unter dem Motto: „Kein Platz für Antisemitismus – Solidarität mit der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen!“ aufgerufen haben. Auch am Sonntag kamen diesbezüglich noch einmal etwa 160 Menschen auf Initiative des "Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung" vor dem Hauptbahnhof zusammen. Die Bemühungen der Initiatoren, Antisemitismus entschieden zurückzuweisen, um den Platz der jüdischen Gemeinschaft in der Mitte unserer Stadtgesellschaft in Sicherheit zu bewahren, unterstützt der Rat der Stadt Gelsenkirchen ausdrücklich.

Niemand sollte in Gelsenkirchen in Angst und Sorge leben müssen. Der Rat der Stadt geht daher unmissverständlich davon aus, dass die Sicherheit insbesondere auch aller Institutionen unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu jeder Zeit sichergestellt ist.

Dass es nicht zu weiteren Ausschreitungen und einer kritischen Gefährdung der Neuen Synagoge am Mittwochabend des 12. Mai kam, ist auch dem schnellen und beherzten Eingreifen der Polizei zu verdanken. Die Aufarbeitung der Geschehnisse und eventueller Straftaten muss nun mit aller strafrechtlichen Konsequenz und Entschiedenheit vorangetrieben werden.

Der Rat der Stadt nimmt darüber hinaus die Verantwortung ernst, das friedliche Zusammenleben in der Stadt durch mehr Aufklärung und Austausch zu fördern. Es gilt nun, die Bemühungen zu intensivieren, um Bildungsangebote und Begegnungsräume zu schaffen, über die jüdisches Leben erfahrbarer sowie der interreligiöse und kulturelle Dialog weiter gestärkt wird. Denn Solidaritätskundgebungen und Resolutionen erfolgen immer nur als Reaktion auf bereits erfolgte Vorfälle, das gemeinsame Ziel der Stadtgesellschaft muss es aber sein, menschenfeindlichen Haltungen schon in ihrer Wurzel zu erkennen, zu benennen und ihnen Einhalt zu gebieten, so dass aus ihnen erst keine Taten folgen.

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Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Axel Barton

Anrede,

Ich denke, in der grundsätzlichen Bewertung dessen, was sich am Mittwoch vor einer Woche vor der Neuen Synagoge abgespielt hat, sind wir uns alle einig:

Wer Parolen brüllt, in denen zum Hass auf andere aufgerufen wird, ja deren Tod gewünscht wird, der kann sich auf kein irgendwie geartetes Recht berufen, welches ihm das erlauben würde.

Keine Religion, keine Gesellschaftsordnung und keine Weltanschauung rechtfertigt es, andere Menschen zu hassen, sie in ihrer Freiheit, ihrer Unversehrtheit und in ihrem Leben anzugreifen.

Die ausgerufenen Parolen vom Mittwochabend des 12. Mai sind auch erst recht nicht mit einer Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung zu rechtfertigen, ganzunabhängig davon, wie man dieses Vorgehen bewertet.

Wer sich an dieser Stelle auf demokratische Werte wie Meinungsfreiheit beruft, um zum Hass gegen Menschen jüdischen Glaubens aufzurufen, der missbraucht diese Meinungsfreiheit auf die perfideste Art und Weise.

Anrede,

Antisemitismus ist keine Meinung, Hass ist auch keine Meinung und erst recht ist es keine Meinung, anderen Menschen das Lebensrecht, das schlichte Existenzrecht als Mensch abzusprechen.

Das, meine Damen und Herren ist die geistige Vorbereitung von Verbrechen, und wir alle wissen wohin diese schon einmal hinführten.

Und da gibt es für uns Sozialdemokrat:innen überhaupt kein Vertun.  Unsere klare Botschaft an diese Leute heißt: Nie wieder!

Aber auch eine andere Botschaft ist mir wichtig.

Antisemitismus wird nicht importiert oder exportiert. Antisemitismus gibt es. Und es gibt ihn schon lange. Und es mussten viele Begründungszusammenhänge herhalten, um ihn zu rechtfertigen. Religiöse, ökonomische, selbst so irrsinnige wie Rassismus oder so profane wie schlichter Neid.

Dieser Antisemitismus findet sich in vielen Ländern und Gesellschaften und zu seinen Ursachen ist schon so viel und so qualifiziert geforscht worden, dass ein Exkurs an dieser Stelle zu weit führen würde.

Eines aber ist wichtig, um zu verstehen, was heute passiert, um es schon von Beginn an zu bekämpfen:

Die Menschen, die vor hunderten von Jahren jüdische Menschen in mittelalterlichen Städten auf die Straßen zerrten und lynchten.

Die Menschen, die nach der Eroberung von Granada jüdische Menschen vor die Wahl stellten, zu konvertieren, zu fliehen oder zu sterben, nachdem jahrhundertelang dort übrigens unter muslimischer Herrschaft Juden, Christen und Muslime in einer der bis dato tolerantesten Gesellschaften zusammengelebt hatten.

Und die Menschen, die vor nicht einmal 80 Jahren in Auschwitz, Majdanek und all den anderen Schreckensorten Millionen jüdischer Menschen ins Gas schickten und zu Tode quälten.

Sie alle einte in ihrem Antisemitismus ein Hass auf Juden, der völlig grundlos und vielleicht gerade deshalb auf eine geradezu perverse Weise vielseitig instrumentalisierbar war und - wie wir jetzt wieder sehen – immer noch ist.

Weil die Juden ja „an allem schuld“ waren, konnte jeder Anlass herhalten, sei es, um sich seiner Gläubiger zu entledigen, Sündenböcke für wirtschaftliche Not zu finden oder auch einfach die eigene Existenzberechtigung zu begründen.

Etwas in der Art geschieht auch heute hier bei uns.

Das Ziel derer, die vor einer Woche ein Gotteshaus stürmen wollten und mutmaßlich auch Menschen angreifen wollten war und ist es nicht, Kritik an der israelischen Regierung zu üben und auf das Leid der Menschen in Palästina hinzuweisen.

Das ist nur einer der vielen Vorwände, die auf dem Nährboden des Antisemitismus sprießen wie giftiges Kraut.

In diesem Nährboden wurzeln im Übrigen auch die vielen antisemitischen Äußerungen vornehmlich aus dem rechten Rand des politischen Spektrums hier in Deutschland, deren unwidersprochenes Hinnehmen durch diejenigen, die sich angesprochen fühlen mögen, nicht peinliches Schweigen, sondern stillschweigende Zustimmung zu sein scheint.

Das Ziel aller dieser Menschen ist es, Hass zu schüren, weil sie von eben diesem Hass leben. Ohne den Hass, den sie selbst erzeugen, hätte das, was sie tun keinen „Sinn“ mehr.

Anrede,

unsere Aufgabe ist es, jeden Tag daran zu arbeiten, dass der Hass seine Grundlagen verliert.

Niemals war es berechtigter, sinnvoller und wertvoller für die gesamte Menschheit, daran zu arbeiten, einer Gruppe von anderen Menschen den Sinn ihres Handelns zu nehmen.

Indem wir unermüdlich und allen Widerständen zum Trotz daran glauben und daran arbeiten, dass der Frieden im Nahen Osten möglich ist.

Indem wir denen, gegen die sich der Hass richtet sagen: „Wir stehen an eurer Seite. Wir schützen Euch. Ihr seid in unserer Stadt sicher.“

Und indem wir denen, die da am letzten Mittwoch demonstriert haben sagen:

„Ihr könnt Euch mit eurem Hass hinter nichts und niemandem verstecken. Nicht hinter irgendeiner Religion, nicht hinter der Kritik an Israel und nicht hinter irgendeiner Nationalität. Ihr müsst damit leben, dass man euch die Maske vom Gesicht zieht. Und dann sieht man nur noch den blanken Hass, den ihr eigentlich verbergen wollt.“

Darin liegt unser aller Verantwortung.

Glück auf!