Kommunale Handlungsfähigkeit erhalten

Lukas Günther, Stadtverordneter für Buer-Süd

Rede des Stadtverordneten Lukas Günther im Rat der Stadt am 25.06.2020

Rede Lukas Günther - es gilt das gesprochene Wort

Anrede,

wie sie wissen, finden am 13. September die Kommunalwahlen statt. Nicht nur, aber wahrscheinlich auch aus diesem Grund, wird in diesem Jahr so oft und intensiv über Kommunalpolitik geredet, wie seit fünf, sechs Jahren nicht mehr. Ja, gerade jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wieder oft unser Engagement als Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker gelobt wird. „Die Kommunalpolitik ist die Schule der Demokratie“, wird wieder oft von irgendwem irgendwo gesagt. Vielleicht haben Sie diesen Satz auch schon einmal gehört. Ministerpräsidentinnen haben ihn gesagt. Bundeskanzler haben ihn gesagt. Und auch Bundespräsidenten habe ich ihn schon sagen gehört.

Ich persönlich halte diesen Satz für falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn mit diesem Satz schwingt auch eine wohlwollende Geringschätzung mit, wenn man die Arbeit im Stadtrat, im Rathaus [– oder bei uns im Hans-Sachs-Haus –] oder in der Bezirksvertretung mit dem Unterricht in einer Schule vergleicht. Es klingt, als sei Kommunalpolitik irgendwie einfacher als die „große“ Politik in Düsseldorf, Berlin oder Brüssel – und am Ende auch nicht ganz so wichtig.  Wer sich hingegen einmal mit kommunalen Finanzen, Infrastrukturprojekten oder Bebauungsplänen beschäftigt hat, der weiß, wie komplex und verantwortungsvoll Lokalpolitik ist. Sowohl in der Sache als auch in ihrer politischen Dimension.

„All politics is local“, sagen die Amerikaner zu Recht. Denn erst wenn immer mehr Aufgaben zur Wahrung der inneren Sicherheit und Ordnung auf die Kommunen abgewälzt werden, wenn Reparaturen von Straßen oder städtischen Gebäuden aufgeschoben oder wenn der kommunale Klimanotstand ausgerufen wird, weiß man, was es konkret bedeutet, wenn von „kommunaler Eigenverantwortung“, von „notwendigen Einsparungen“ oder von „ökologischer Energiepolitik“ die Rede ist. Nein, Kommunalpolitik ist keine Übungseinheit für die Demokratie. Kommunalpolitik ist der Ernstfall der Demokratie, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn Lebensqualität ist immer konkret, nie abstrakt. Sicherheit und Zusammenhalt muss man fühlen können. Gerechtigkeit muss man erfahren und wirtschaftliche Stärken auch persönlich spüren können. Und all das nicht irgendwo, sondern dort, wo Menschen zuhause sind: in ihren Städten und Gemeinden, in ihren Stadtteilen und Quartieren. Kurzum: Bei uns in Gelsenkirchen. In Scholven und Ückendorf. In Horst und der Resser-Mark.

Anrede,

noch vor 40 Jahren war Gelsenkirchen im Wesentlichen Kohle und Stahl. Das ist heute nicht mehr so. Heute ist Gelsenkirchen ein Zentrum für Dienstleistung, Logistik, Industrie, Wissenschaft, Kultur, Sport, Digitalisierung und interkulturelles Zusammenleben. Und längst ist der Strukturwandel, den wir seit 40 Jahren gestalten, zum Exportschlager geworden. In der nordchinesischen Bezirkshauptstadt Taiyuan gibt es an der dortigen Universität ein Institut für „Ruhrgebietsstudien“. Das „Ruhr Area Research Center“. Ja, die Menschen in China wollen lernen, wie Strukturwandel gelingen kann. Sie wollen es vom Ruhrgebiet lernen. Von seinen Erfolgen und von seinen Misserfolgen. Und von beidem gibt es reichlich.

  • Heute arbeiten auf dem Gelände des Nordsternparks fast wieder genauso viele Menschen, wie 1993 bei der letzten Schicht.
  • In Hassel, auf dem ehemaligen Gelände der Kokerei, hat sich mit dem Stadtteilpark ein Naherholungsgebiet für Jung und Alt entwickelt.
  • Das ehemalige Graf Bismarck-Gelände ist zu einem Zentrum für Dienstleistungen, Freizeit, Gastronomie und Wohnen geworden.
  • Gelsenkirchen ist heute die vernetzte Stadt und als Modellregion Vorreiter in Sachen Digitalisierung.
  • An der Westfälischen Hochschule studieren heute knapp 5.000 junge Menschen 24 Studiengänge in Gelsenkirchen.

Und trotzdem ist der Strukturwandel nicht ohne Strukturbrüche abgelaufen. Das haben vor allem Großstädte – wie Gelsenkirchen – zu spüren bekommen. Es ist noch nicht lange her, da hat unsere Stadt Kredite aufgenommen, um ihren Anteil am Aufbau Ost zu leisten. Dabei reichten die Steuereinnahmen nicht einmal, um die Sozialleistungen für die eigenen Einwohnerinnen und Einwohner zu bezahlen. Das ist ein Grund, warum wir beim Steuer- und Gebührendumping mancher Städte und Regionen nicht mithalten können. Es ist ein Teufelskreis, der zu absurden Ungerechtigkeiten führt. Im reichen Düsseldorf gibt es keine Kita-Gebühren. Gut so. Die deutlich ärmeren Ruhrgebietsstädte haben aber de facto keine andere Wahl, als diese zu erheben. Einige von ihnen werden wissen, dass ich in Düsseldorf arbeite. Ich kenne Kolleginnen mit kleinen Kindern, die sind aus dem Ruhrgebiet nach Düsseldorf gezogen, weil sich das trotz der drastisch höheren Mieten für sie gelohnt hat.

Für Zukunftsinvestitionen blieb im Ruhrgebiet, in Gelsenkirchen jahrzehntelang kaum Geld übrig, was man am Zustand mancher Gebäude und Straßen leider auch erkennen kann. Zu der rot-grünen Regierungszeit hat die SPD vielen überschuldeten Städten durch unseren „Stärkungspakt Kommunalfinanzen“ wieder etwas Luft zum Atmen verschafft. Aber das reicht nicht. Die Städte müssen jetzt entschuldet werden. Daher haben die verschiedenen Initiativen der SPD, von Olaf Scholz, Norbert Walter-Borjans und nicht zuletzt Frank Baranowski, auch unsere vollste Unterstützung. Und es ist wahr, dass NRW – und insbesondere das Ruhrgebiet – der Hauptnutznießer einer Entschuldung wäre.

Zwei Drittel aller kommunalen Kassenkredite fallen in NRW an. Aber die sozialen Probleme im Ruhrgebiet sind eben nicht nur die sozialen Probleme des Ruhrgebiets. Die Revierstädte – und damit auch ihre Unternehmen, Einwohnerinnen und Einwohner – müssen für das solidarische Sozialstaatsversprechen einstehen, dass ganz Deutschland seinen Bürgerinnen und Bürgern gegeben hat. Denn die Revierstädte erfüllen das Sozialstaatsversprechen auch für Düsseldorf und Monheim, für Hamburg und für München. Genauso, wie die Effekte von Kohle und Stahl die Wirtschaft einst im ganzen Land beflügelt haben. Düsseldorf, als administrativer Schreibtisch des Ruhrgebiets, würde es ohne die Leistung der Kohlekumpel und Stahlkocher in seiner heutigen Form nicht geben. Deshalb ist es ein Gebot der Gerechtigkeit – und auch der wirtschaftlichen Vernunft, dass Revierstädte entschuldet werden. Wir müssen unseren Städten wieder die Finanzkraft zurückgeben, die sie brauchen – und die ihnen zusteht! – um ihren Bürgerinnen und Bürgern wieder ausreichend Daseinsvorsorge und Lebensqualität bieten zu können. Dafür müssen wir alle an einem Strang ziehen. Und dieser darf einzelnen Städten nicht als Schlinge um den Hals gelegt werden.

Leider blockiert vor allem die CDU, wo sie nur kann. Und selbst Armin Laschet hat die Hände lange in die Taschen gesteckt und nichts gemacht, um das Altschuldenproblem zu lösen. Olaf Scholz hat im letzten Herbst ein Konzept zur Entschuldung von 2.500 Kommunen vorgelegt. Der Bund würde die Hälfte aller Schulden übernehmen, bei entsprechender Beteiligung der Länder. Von Armin Laschet war nichts zu hören. Im Gegenteil. Der Armin Laschet, der in Journalisten-Kreisen den Ruf innehat, vor jede Kamera zu springen, die sich ihm in den Weg stellt, hat geschwiegen und sich weggeduckt. Erst auf wiederholte WDR-Anfrage ließ sein Finanzminister durch einen Sprecher ausrichten, man würde sich im Jahr 2021 mit der Frage beschäftigen. Während Hessen und das Saarland längst Verantwortung übernommen haben und in Vorleistung gegangen sind, hat die schwarz-gelbe Landesregierung nicht das geringste Interesse an einer Entschuldung der Städte gezeigt.  Und das obwohl Nordrhein-Westfalen am meisten davon profitieren würde. Warum? Das ist auch mir ein Rätsel, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Was bleibt ist die Feststellung, dass der CDU-Ministerpräsident die historische Chance verspielt hat, die Städte von ihren Altschulden zu befreien und damit einen finanzpolitischen Schlussstrich unter 50 Jahre Strukturwandel zu ziehen. Doch zur Wahrheit gehören auch die berühmten 180 Grad-Wenden unseres Ministerpräsidenten. Egal ob Schulschließungen, Maskenpflicht oder der Corona-bedingter Shutdown im Kreis Gütersloh – sie werden diese Wendungen kennen. Und es wird sie wenig überraschen, dass eben eine solche Wendung des Ministerpräsidenten auch kurz vor dem Koalitionsausschuss erfolgt ist, bei dem die Spitzen von CDU, CSU und SPD über ein Konjunkturprogramm beraten haben. Ja, sie haben richtig gehört. Der Ministerpräsident hat sich – nach all dem, was der Presse zu entnehmen war – ganz plötzlich für eine kommunale Altschuldenlösung eingesetzt. Was also bleibt, ist die Frage, warum wir heute diese Debatte über eine kommunale Altschuldenlösung führen müssen? Die SPD hat sich für eine kommunale Altschuldenlösung eingesetzt. Und der NRW-Ministerpräsident plötzlich auch. Trotzdem ist der Altschuldenfonds nicht Teil des Ergebnisses des 21-stündigen Verhandlungsmarathons. Warum? Ich kann es ihnen sagen! In den Koalitionsausschüssen sitzt die CSU mit am Tisch. Die Schwesterpartei der CDU, die nur ein Ziel hat: Die partikulare Interessensvertretung von Bayern. Und da mag es Markus Söder noch so egal sein, dass über den Bund-Länder-Finanzausgleich etliche Milliarden in der Vergangenheit von Düsseldorf nach München geflossen sind. Solidarität unter den Bundesländern hört für die CSU da auf, wo die finanziellen Interessen von Bayern anfangen. Und die CDU macht sich in dieser Frage zum Steigbügelhalter der CSU. Zur Wahrheit gehört: Jede Stimme für die CDU bei einer Bundestagswahl ist auch eine Stimme für die Partikularinteressen von 13 Millionen Menschen in Bayern. Und zur Wahrheit gehört auch: Im Testosteron-Fernduell um die nächste Unions-Kanzlerkandidatur zwischen München und Düsseldorf konnte sich Armin Laschet nicht gegen Markus Söder durchsetzen. Und ich kenne nicht wenige, die – ganz abseits einer kommunalen Altschuldenlösung – behaupten: Nach den Erfahrungen der letzten Wochen und Tagen ist das auch nicht das schlechteste, meine Damen und Herren.

Anrede,

im Politikmanagement spricht man oftmals von einem „Garbage Can Model of Polics“. Was ist damit gemeint? Heruntergebrochen (und vereinfacht) erklärt diese Theorie, dass wenn Deckel zu einer politischen Fragestellung erstmal geöffnet ist, die Akteurinnen und Akteure die Gelegenheit haben, ihre Ideen und Ziele einzuwerfen. Ist dieses Gelegenheitsfenster erstmal geschlossen, erlischt diese Chance.

Anrede,

es liegt nun an uns dafür zu sorgen, dass die Chance nicht erlischt und der Deckel geöffnet bleibt, wenn Armin Laschet diese Chance schon nicht genutzt hat. Denn in der schwarz-gelben Regierungskoalition hat eine kommunale Altschuldenlösung – hat das Ruhrgebiet – keine politische Lobby. Wie denn auch? Ich kann ihnen das anhand von Zahlen belegen:

  • Im Ruhrgebiet leben über 5,1 Millionen Menschen, knapp ein Drittel der nordrhein-westfälischen Gesamtbevölkerung
  • Von 12 Ministerinnen und Ministern der Landesregierung geben genau zwei - also 16 Prozent – eine Ruhrgebietsstadt als Wohnsitz an.
  • Von 28 FDP-Landtagsabgeordneten haben sich fünf um ein Direktmandat im Ruhrgebiet beworben – also keine 18 Prozent.
  • Und bei der CDU? Kommen sage und schreibe drei der 72 Landtagsabgeordneten aus dem Ruhrgebiet, also genau 4,1 Prozent.

Wen wundert es da, wenn der nordrhein-westfälische CDU-Fraktionschef Löttgen die Debatte über einen kommunalen Altschuldenfonds zunächst auf die lange Bank schiebt. Ich kann seine Entscheidung zwar nicht verstehen, aber ja, ich kann sie nachvollziehen. Wie will man in seiner eigenen Fraktion Mehrheiten organisieren, wenn ein Großteil der Mitglieder aus dem Münsterland, der Eifel oder dem Oberbergischen kommt und gar kein Interesse – und vor allem kein eigenes – an einer spürbaren Entlastung der Ruhrgebietskommunen haben? Doch anstatt das offen anzusprechen heißt es dann immer: Zunächst müssten die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei den Kommunalfinanzen so abgeändert werden, dass Städte und Gemeinden langfristig nicht in die Gefahr geraten, neue Schulden aufnehmen zu müssen. Was hier gemacht wird, ist nichts anderes als die bewusste Vermengung zweier Themen: Ja, die Leistungsgesetze des Bundes und des Landes führen zu strukturell überdimensionalen Belastungen der kommunalen Haushalte – gerade in denen vom Strukturwandel betroffenen Städten und Gemeinden. Doch anstatt daran etwas zu ändern – beispielsweise mit der vollständigen Finanzierung von Flüchtlings- und Integrationskosten – wird diese Ungerechtigkeit als Steilvorlage benutzt, um die nächste Ungerechtigkeit zu legitimieren: Nämlich die Ruhrgebietskommunen auf ihren überdimensionalen Schuldenbergen sitzen zu lassen. In den Ausführungen vieler CDU-Politikerinnen und -Politiker wird dann immer angeführt, dass bei der derzeit anhaltenden Niedrigzinsphase die Belastungen für einen kommunalen Haushalt kaum spürbar seien. Zwischen 10 und 11 Millionen Euro jährlich hat unsere Stadt in den letzten Jahren für die Tilgung der Zinsen der Liquiditätskredite aufbringen zu müssen – und das vor Corona. Viel Geld für unsere Stadt. Viel Geld, was durch eine Altschuldenlösung zur Verfügung stünde. Viel Geld, mit dem wir den Fortschritt unserer Stadt, den Fortschritt für die Vielen gestalten könnten.

Ich bin mir sicher das weiß auch die CDU-Fraktion. Und aus diesem Grund war es unser Ziel, einen gemeinsamen Antrag zu diesem wichtigen Thema, für Fortschritt und für Gerechtigkeit, mit allen großen Parteien vorzulegen. Und ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass uns das in der Vergangenheit auch über Parteigrenzen hinweg gelungen ist.

Beispielsweise zur vollständigen Weiterleitung der Flüchtlingspauschale. Was bleibt ist also die Frage, warum sie heute keinen gemeinsamen Antrag vorfinden. Ich kann es ihnen sagen: Wir haben unseren Ursprungsfassung des Antrags der CDU und den Grünen weitergeleitet.

Beide Fraktionen haben Änderungen vorgenommen. Und sie können mir glauben, wir sind der CDU bei ihren Änderungswünschen wirklich sehr weiter entgegengekommen. Doch warum gibt es keinen fraktionsübergreifenden Kompromiss, den wir heute abstimmen? Weil die CDU-Fraktion trotz unseres Entgegenkommens zunächst verscuht hat, den Kompromiss weiter aufzuweichen. Und weil die CDU-Fraktion in das Lied einstimmt, welches ihnen von der eigenen Landtagsfraktion vorgesungen wird. Es steht in dem vorliegenden Antrag verklausuliert drin – ich zitiere:

„Wenn Leistungsgesetze des Bundes wie des Landes strukturell nicht zu Belastungen der kommunalen Haushalte führen, wenn also das Zusammenwirken von Leistungsgesetz und Leistungserbringung neu, nachhaltig und gerecht abgebildet und geregelt sind, ist eine Lösung der Altschuldenproblematik unmittelbar zu realisieren.“

Anrede,

ich nehme mir die Worte meines Oberbürgermeisters zu Herzen und unterlasse an dieser Stelle politische Attacken. Nur so viel: Ich hätte mir gewünscht, dass die CDU sich in ihrer Konsequenz genauso klar für eine sofortige Altschuldenlösung ausspricht, wie es jetzt aus dem Antrag von SPD und Grüne hervorgeht.

Anrede,

„Altschuldenfonds“ – das klingt so technisch. Deshalb müssen wir unseren Bürgerinnen und Bürgern sagen, um was es tatsächlich geht: um Investitionen in ihre Straßen, in ihre Schulen, in ihre Schwimmbäder, in moderne Wohnungen und in ihr Kultur- und Vereinsleben. Es geht um Lebensqualität. Es geht übrigens auch um die lokale Demokratie. Demokratie setzt politische Handlungsfähigkeit voraus. Und politische Handlungsfähigkeit setzt finanzielle Handlungsfähigkeit voraus. Wer eine lebendige Demokratie vor Ort will, muss auch dafür sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger politische Alternativen haben und das Leben in ihrer Stadt gestalten können. Wer aber kein Geld hat, kann wenig entscheiden und noch weniger gestalten – da helfen weder Volksentscheide noch andere Beteiligungsverfahren. Kurzum: Ein chronisches Haushaltsdefizit ist immer auch ein Demokratiedefizit. Oder anders gesagt: Wer über gesunde Kommunalfinanzen nicht reden will, der sollte auch von lokaler Demokratie schweigen. Wir schweigen nicht. Wir wollen über beides reden – und deshalb machen wir weiter Druck: Für die Entschuldung unserer Städte und für ein Jahrzehnt der kommunalen Investitionen.

Anrede,

nach den Ergebnissen des Koalitionsausschusses liegt der Ball zur kommunalen Entschuldung nun im Spielfeld vom CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet. Die Ruhrkonferenz hat die Lösung der kommunalen Altschuldenproblematik ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Es liegt jetzt am CDU-Ministerpräsidenten das Gelegenheitsfenster für eine Altschuldenlösung weiterhin offen zu halten. Kurzum: Der Ministerpräsident hat jetzt die Chance zu zeigen, dass ihm die Lebenslage von 5,1 Millionen Menschen im Ruhrgebiet wirklich am Herzen liegt – oder ob die Ruhrkonferenz und deren Ergebnisse nur ein symbolisches Feigenblatt seiner Ankündigungs-Agenda bleiben. Und ganz nebenbei: Indem der Ministerpräsident sich zum Vorreiter einer kommunalen Altschuldenlösung macht, könnte er mir in wesentlichen Teilen meiner Rede widersprechen. Und tatsächlich: Ich würde es mir wünschen!

Denn Lebensqualität und der Glaube in die Demokratie zeichnen sich dadurch aus, dass die Menschen den Fortschritt vor ihrer eigenen Haustür bemerken. Für den Zusammenhalt einer Gesellschaft und für die Lebensqualität der Menschen ist viel gewonnen,

  • wenn sich Menschen in ihrem Lebensumfeld sicher fühlen können,
  • wenn es dort Grünanlagen und Spielplätze gibt, schnelles Internet, ansehnliche Straßenzüge und helle Plätze,
  • wenn es gute Wohnungen gibt und Mieten dabei für jeden bezahlbar bleiben,
  • wenn Eltern gute Schulen und Kitas finden, die im Idealfall gebührenfrei sind und eine hochwertige Ganztagsbetreuung bieten,
  • und wenn man schnell, flexibel und günstig mit Bus oder Bahn zur Arbeit oder zum Einkaufen kommt.

All das sind Kennzeichen guter Kommunalpolitik. All das sind Kennzeichen der Gelsenkirchener Kommunalpolitik. All das sind Kennzeichen sozialdemokratischer Kommunalpolitik. Es ist unsere feste Überzeugung, dass man Stadtteile, Quartiere und Wohnviertel nicht sich selbst überlassen darf. Sie sind keine Marktobjekte. Hier sind Menschen zuhause. Ihre Heimat beginnt vor der Haustür und sie haben ein Recht darauf, dass man sich um ihre Heimat kümmert. Ob Arbeitsplatz, Studium oder die große Liebe – es mag gewiss Gründe geben, um in eine andere Stadt oder in einen anderen Stadtteil zu ziehen. Aber niemand darf dazu gezwungen sein, weil man sich vor seiner eigenen Haustür nicht mehr sicher fühlt oder weil die öffentliche Daseinsvorsorge zu schlecht ist und die Lebensqualität sinkt. Das darf nicht sein. Und doch kommt es vor. Es wird Zeit, dass wir dagegenhalten. Durch öffentliche Investitionen. Durch finanzielle Spielräume, die uns auch eine Altschuldenlösung ermöglichen würde. Durch ein Jahrzehnt der kommunalen Investitionen in die Lebensqualität unserer Stadt. In Sicherheit, Bildung, Mobilität und gelungene Stadterneuerung. Das ist der Pfad, den Frank Baranowski als Oberbürgermeister mit der SPD-Fraktion für unsere Stadt eingeschlagen hat. Das wird das Erbe, das wir im nächsten Rat der Stadt fortzuführen haben.

 

Vielen Dank und Glückauf!